Frage: „Was denken Sie, wie häufig wird eine Frau im Leben durchschnittlich schwanger, wenn sie nicht verhütet?“
Die Zahl der Schwangerschaften, die Frauen ohne Verhütung durchschnittlich erleben würden, wird deutlich unterschätzt. Nur 13% der ÖsterreicherInnen liegen mit ihrer Einschätzung der natürlichen Fruchtbarkeit von 12–15 Schwangerschaften im Verlauf des Lebens richtig. Hingegen nehmen 23% an, eine Frau würde ohne Verhütung lediglich 0–3 Mal schwanger1 werden. 40% gehen von bis zu 4–7 Schwangerschaften aus und 24% schätzen 8–11 Schwangerschaften.
Einschätzung der weiblichen Fruchtbarkeit durch Männer und Frauen
Männer und Frauen unterscheiden sich kaum in ihrer Einschätzung. Allerdings gehen Männer tendenziell von noch weniger Schwangerschaften aus als Frauen. Auch bei der korrekten Einschätzung gibt es nur geringe Unterschiede: Männer liegen zu 11% richtig, Frauen zu 15%.
Einschätzung der weiblichen Fruchtbarkeit nach Altersgruppen
Jugendliche (16–20 Jahre) schätzen die durchschnittliche Anzahl an Schwangerschaften im Leben einer Frau signifikant niedriger ein als Ältere. Nur 4% schätzen die Zahl korrekt ein. Die Gruppe der 40–49-Jährigen haben das realistischste Bild von weiblicher Fruchtbarkeit: 17% von ihnen schätzen die Anzahl richtig ein.
1 Tietze C: Reproductive span and rate of reproduction among Hutterite women. Fertil Steril 8 (1957) 89–97
Einschätzung der weiblichen Fruchtbarkeit nach Bildungsniveau
Obwohl die Einschätzung auf allen Bildungsebenen überwiegend falsch ist, zeigt sich mit zunehmender Bildung die Tendenz einer korrekteren Einschätzung. Während 76% der Personen mit Pflichtschulabschluss meinen, 0–7 Mal wäre der natürliche Durchschnitt, glauben dies 65% der Fachschul- und LehrabsolventInnen und 53% der Personen mit Matura- oder Universitätsabschluss. Hingegen nimmt der Prozentsatz jener, die 8–15 Mal für richtig halten, mit zunehmender Bildung zu (24% der PflichtschulabsolventInnen, 35% der Fachschul- oder LehrabsolventInnen und 47% der Personen mit Matura- oder Universitätsabschluss).
Einschätzung der weiblichen Fruchtbarkeit und Herkunft
Personen mit Migrationshintergrund (1. Generation) schätzen die natürliche Fruchtbarkeit noch geringer und damit unrealistischer ein als Personen, die in Österreich geboren wurden. Sie nehmen in 35% der Fälle an, dass die durchschnittliche Anzahl an Schwangerschaften im Leben einer Frau, die nicht verhütet, 0–3 beträgt. Im Vergleich dazu nehmen dies 22% der in Österreich Geborenen an.
Einschätzung der weiblichen Fruchtbarkeit durch Frauen nach einem Schwangerschaftsabbruch
Interessant ist hier der Vergleich von Frauen in der Gesamtbevölkerung mit Frauen nach dem Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft. Letztere schätzen die Fruchtbarkeit einer Frau zwar etwas realistischer ein, aber in der Mehrheit unterschätzen sie diese doch erheblich: etwa 50% nehmen an, dass eine Frau ohne je zu verhüten maximal 7 Mal in ihrem Leben schwanger werden würde. 30% schätzen die Anzahl der Schwangerschaften auf 8–11 und nur 21% liegen mit einer Schätzung von 12–15 richtig.
Interpretation
Insgesamt zeigt sich, dass in der Bevölkerung offenbar eine völlig falsche – nämlich viel zu niedrige – Einschätzung des Ausmaßes der natürlichen Fruchtbarkeit vorherrscht. Nur wenigen ist bewusst, wie häufig Frauen in ihrem Leben tatsächlich schwanger wären, wenn sie oder ihre Partner keine Verhütung anwenden würden. Es liegt die Annahme nahe, dass diese Fehleinschätzung ein wesentlicher Grund für die mangelnde Anwendung wirksamer Verhütungsmethoden ist. Wenn das Risiko oder die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft nicht bewusst ist, besteht wenig Anlass, konsequent wirksame Methoden anzuwenden. Für die gynäkologische und (sexual-)pädagogische Beratung bedeutet dies, dass der Fokus künftig mehr auf dieser Bewusstseinsbildung liegen muss. Das Bewusstsein der Notwendigkeit einer konsequenten wirksamen Verhütung ist die Voraussetzung für deren Anwendung.
Interessant ist, dass Frauen nach einem Schwangerschaftsabbruch die natürliche Fruchtbarkeit zwar etwas realistischer einschätzen – möglicherweise, weil sie selbst erfahren haben, wie überraschend schnell eine ungewollte Schwangerschaft passieren kann. Aber selbst nach dieser Erfahrung wird die natürliche Fruchtbarkeit deutlich unterschätzt.