Seit einigen Jahren ist eine zunehmende Skepsis gegenüber hormoneller Verhütung zu beobachten. Um die Hintergründe und die daraus folgenden Konsequenzen für die Verhütung besser zu verstehen, wurden in dem vorliegenden Report mehrere Fragen dazu gestellt. Außerdem wurden die Antworten mit den Ergebnissen einer bisher unveröffentlichten Studie über die Verhütung in den Monaten vor einem Schwangerschaftsabbruch verglichen. (Da hormonelle Verhütungsmethoden derzeit nur Frauen zu Verfügung stehen, bezieht sich das folgende Kapitel ausschließlich auf die Angaben von Frauen.)
Wichtigkeit der Anwendung hormonfreier Methoden
Frage: „Wie wichtig ist es für Sie persönlich, dass Sie eine Verhütungsmethode ohne Hormone (hormonfrei) anwenden?“
60% der befragten Frauen geben an, dass es für sie persönlich wichtig bis sehr wichtig ist, eine Verhütungsmethode ohne Hormone anzuwenden.
Alter, Bildung
Diese Überzeugung ist relativ gleichmäßig verteilt und korreliert weder mit dem Alter noch mit der Bildung von Frauen.
Interpretation
Es zeigt sich, dass das Ideal hormonfreier Verhütung weit verbreitet ist. Die Tatsache, dass die Mehrheit der Frauen den Wunsch nach hormonfreier Verhütung gleichermaßen stark teilt, zeigt die Dominanz des aktuellen Diskurses, der besagt, dass Hormone zur Verhütung schlecht und möglichst zu vermeiden sind.
Wichtigkeit hormonfreier Verhütung im persönlichen Umfeld
Frage: „Im Vergleich dazu, wie wichtig ist für Ihre FreundInnen/Bekannten die Anwendung einer Verhütungsmethode ohne Hormone?“
Die deutliche Mehrheit derer, die sich dazu äußern (60%) schätzt die Einstellung ihrer FreundInnen und Bekannten ähnlich ein wie die eigene. Nur 24% glauben, dass Hormonfreiheit bei der Verhütung für FreundInnen und Bekannte weniger wichtig ist als für sie selbst. 16% glauben, dass es für FreundInnen und Bekannte wichtiger ist. Frauen, die selbst Hormone anwenden, attestieren ihren Bekannten signifikant häufiger, dass diesen die Verhütung ohne Hormone wichtiger ist, als Frauen, die selbst hormonfrei verhüten (26% zu 11%).
Interpretation
Die Einschätzung von Frauen, dass ihr Umfeld meist eine sehr ähnliche Meinung zu hormoneller Verhütung vertritt, ist ein Hinweis für die milieuspezifisch ähnlich geprägten Erfahrungen, von denen sich Einzelpersonen nur schwer distanzieren können. Gilt also Hormonfreiheit innerhalb des eigenen Bekannten- und FreundInnenkreis als erstrebenswert, ist die Wahrscheinlichkeit groß, auch selbst für hormonfreie Verhütung zu plädieren.
Einstellungen zum eigenen Körper
Die Skepsis oder die Ablehnung von Hormonen muss in einem breiten Lebenskontext betrachtet werden. So spielt z.B. das Bild des eigenen Körpers eine zentrale Rolle dabei. Deshalb wurden folgende Aspekte erhoben.
Vermeidung eines Eingriffs oder Wirksamkeit der Methode – die Qual der Wahl
Frage: „Welche der folgenden Aussagen entspricht am ehesten Ihrer Haltung:
– Ich will in meinen Körper überhaupt nicht ‚eingreifen‘, z.B. mit Hormonen.
– Die Wirksamkeit eines Verhütungsmittels ist mir sehr wichtig, auch wenn es Hormone enthält.“
Während für 55% der Frauen bei der Wahl der Verhütungsmethode die Wirksamkeit im Zentrum steht, ist es für 45% das Wichtigste, überhaupt nicht in den eigenen Körper ‚einzugreifen‘.
Interpretation
Die Ergebnisse zeigen ein verbreitetes Dilemma: Der Wunsch, sich wirksam vor ungewollten Schwangerschaften zu schützen und zugleich das Bestreben, dies hormonfrei und ohne in den Körper ‚einzugreifen‘, zu verwirklichen.
Anders formuliert: Einerseits möchten die meisten Frauen ihre natürliche, hormonell gesteuerte Fruchtbarkeit begrenzen, gleichzeitig aber nicht in ihren Körper eingreifen, z.B. mit Hormonen.
Dies erklärt den beobachteten Rückgang hormoneller Verhütungsmethoden und einer Verhütung mit weniger wirksamen Methoden. Dadurch kommt es häufiger zu ungewollten Schwangerschaften, wie auch eine bisher unveröffentlichte Studie über die Verhütung in den Monaten vor einem Schwangerschaftsabbruch bestätigt.
Autonomie von Körperabläufen
Frage: „Wie stehen Sie persönlich zu folgender Aussage? Am besten ist, wenn die Vorgänge im Körper ohne Einfluss von außen ablaufen.“
Im Zusammenhang mit dem Wunsch, nicht in den Körper einzugreifen, stehen Vorstellungen über körperliche Abläufe. 76% aller Frauen sind der Meinung, dass Vorgänge im Körper am besten ohne Einfluss von außen ablaufen sollten.
Einstellung zur Autonomie von Körpervorgängen und Wichtigkeit von Hormonfreiheit
Verbunden mit einer negativen Einstellung zu hormoneller Verhütung ist die Überzeugung, Körpervorgänge sollten möglichst nicht von außen beeinflusst werden. Frauen, denen Hormonfreiheit wichtig ist, sind deutlich häufiger der Meinung, dass Vorgänge im Körper ohne Einfluss von außen ablaufen sollten, als Frauen, denen Hormonfreiheit nicht so wichtig ist (88% vs. 58%).
Einstellung zur Autonomie von Körpervorgängen und Verhütungsmethode
Die Meinung, dass Körperabläufe ohne Einfluss von außen ablaufen sollten, vertreten vor allem Frauen, die nicht verhüten und auch keinen Kinderwunsch haben (90%), und signifikant mehr Frauen, die wenig wirksam (hormonfrei) verhüten (96%), als Frauen, die wirksam verhüten (hormonell oder nicht hormonell) (64%).
Vermeidung hormoneller Methoden aus Sorge vor Nebenwirkungen
Frage: „Vermeiden Sie hormonelle Verhütungsmethoden aus Sorge wegen möglicher Nebenwirkungen?“
In der aktuellen Umfrage haben 37% der befragten Frauen angegeben, dass sie hormonelle Verhütung aus Sorge vor möglichen Nebenwirkungen vermeiden.
Sorge vor Nebenwirkungen und Verhütungsmethode
72% der Frauen, die wenig wirksam (nicht hormonell) verhüten, vermeiden hormonelle Methoden aus Sorge vor Nebenwirkungen. Bei Frauen, die wirksam verhüten (mit oder ohne Hormone), sind dies nur 19%.
In der Gruppe der Frauen, die angeben, Hormone aus Sorge vor Nebenwirkungen zu vermeiden, verhüten trotzdem 21% hormonell: 18% mit einer Pille und 2% mit einer Hormonspirale.
Sorge vor Nebenwirkungen: Vergleich mit 2015
2015 haben 5% aller befragten Frauen, die selbst eine Methode anwenden, hormonfrei verhütet und aufgrund der expliziten Sorge vor Nebenwirkungen angegeben, hormonelle Verhütungsmethoden zu vermeiden. Aktuell sind das deutlich mehr, nämlich 9%. Dies ist eine weitere Bestätigung für den Trend weg von wirksamen hormonellen Methoden hin zu weniger wirksamen nicht hormonellen Methoden.