Verhütung für den Mann

Bis zur Einführung der Pille im Jahr 1960 gab es keine wirksame Verhütung und die verbreitetsten Methoden waren unter der Kontrolle des Mannes: Coitus Interruptus (‚Aufpassen‘) und das Kondom. Einzige Ausnahme: das Tagezählen und das Diaphragma. In den 1960er-Jahren wurden mit der Pille und der Spirale erstmals wirksame Methoden eingeführt, die allerdings alle durch Frauen angewendet wurden, womit Frauen die wirksame Kontrolle über die Fruchtbarkeit des Paares übernommen haben. Die Entwicklung von wirksamen reversiblen Methoden für Männer ist trotz intensiver Forschung bisher erfolglos geblieben. Das daraus resultierende Ungleichgewicht bezüglich der Möglichkeiten der Verhütung führt zu Diskussionen. Die folgenden Fragen sollen mehr Einblick in diese Dynamik geben.

Die meisten Verhütungsmethoden sind für Frauen: Wie geht es Männern damit? Und was denken Frauen?
Frage an Männer: „Wie geht es Ihnen damit, dass Sie als Mann keine Kontrolle über Ihre Fruchtbarkeit haben und sich deshalb auf die Verhütung Ihrer Partnerin verlassen müssen? (abgesehen von Kondom und Sterilisation (Vasektomie)?“
Frage an Frauen: „Was glauben Sie, wie es Männern damit geht, dass sie keine Kontrolle über ihre Fruchtbarkeit haben, abgesehen von Kondom und Sterilisation (Vasektomie), und deshalb verhütungsmäßig von Ihnen abhängig sind?“

Männer reagieren auf diese Tatsache häufig resignativ, indem sie sagen, „das lässt sich nicht ändern und deshalb nützt es auch nichts, darüber nachzudenken“ (45%). Für 17% ist dieser Umstand egal und 13% haben noch nie darüber nachgedacht. Nur sehr wenigen Männern ist dies sogar recht (4%). Interessant ist, dass dies von Frauen deutlich anders wahrgenommen wird. Während nur eine Minderheit der Männer sagt, dass ihnen diese Situation recht ist (4%), glauben sehr viele Frauen (32%), dass Männern dieser Umstand recht sei. Demgegenüber glauben deutlich weniger Frauen (22%), dass Männer sich lediglich aus Resignation vor den Fakten mit der Situation abgefunden haben, als Männer dies angeben (45%).

Herkunft und Verhütung für Männer
Männer mit Migrationshintergrund (1. Generation) geben deutlich häufiger als in Österreich geborene Männer an, dass sie über die eingeschränkte Kontrolle ihrer Fruchtbarkeit noch nicht nachgedacht haben (23% vs. 13%). In Österreich geborene Männer hingegen sagen signifikant häufiger als in einem anderen Land geborene Männer, dass es nichts nütze, darüber nachzudenken, weil es sich nicht ändern lasse (45% vs. 21%). Migrantinnen der 1. Generation nehmen viel häufiger als in Österreich geborene Frauen an, dass den Männern die mangelnde Kontrolle egal sei (nämlich 22% zu 11%). Frauen hingegen, die in Österreich geboren wurden, nehmen häufiger an, dass dieser Umstand Männern recht sei, zumal sie sich dann um nichts kümmern müssten (33% zu 20%).

Interpretation
Offenbar gibt es bezüglich der Kontrolle über die Fruchtbarkeit des Paares sehr unterschiedliche Wahrnehmungen zwischen den Geschlechtern. Männer nehmen die eingeschränkte Kontrolle über die eigene Fruchtbarkeit vorwiegend resignativ zur Kenntnis, weil es sich nicht ändern lässt. Frauen hingegen denken häufig, dass Männern diese Situation recht sei oder sie nicht darüber nachdenken.

Wenig Kontrolle über die eigene Fruchtbarkeit: Erfahrungen der Männer
Frage: „Mit der Tatsache, dass ich wenig Kontrolle habe, habe ich bereits schlechte Erfahrung gemacht – ja/nein:

15% der Männer haben mit der eingeschränkten Kontrolle über die eigene Fruchtbarkeit schlechte Erfahrungen gemacht. Die Mehrheit (85%) allerdings nicht.

Schlechte Erfahrungen und Beziehungsdauer
Auffallend häufig werden schlechte Erfahrungen mit der mangelnden Kontrolle der Fruchtbarkeit in kurzen Beziehungen bis zu einem Jahr gemacht (28%). Danach geht die Häufigkeit schlechter Erfahrungen stark zurück.

Die Pille für den Mann: Anwendungsbereitschaft der Männer
Frage an Männer: „Angenommen es gäbe eine wirksame Verhütungsmethode für Männer, die wieder rückgängig zu machen ist, wie z.B. eine Pille für den Mann, würden Sie diese anwenden?“

Interessant ist der hohe Prozentsatz an Männern, die eine wirksame reversible Methode für sich selbst anwenden würden, falls eine solche verfügbar wäre. 39% sagen „ja sicher“, 40% der Männer sind sich unsicher und etwa jeder 5. Mann lehnt die Anwendung einer Verhütungs-Pille für sich selbst dezidiert ab (21%).

Schlechte Erfahrungen in der Beziehung fördert die Bereitschaft zur Einnahme einer Pille für den Mann
Wenn Männer bereits schlechte Erfahrungen bezüglich der mangelnden Kontrolle ihrer Fruchtbarkeit gemacht haben, sind sie signifikant öfter bereit, selbst eine wirksame reversible Verhütung anzuwenden, als Männer, die noch keine derartige Erfahrung gemacht haben (53% vs. 36%). Interessant ist, dass Männer, die bisher damit keine schlechten Erfahrungen gemacht haben, sehr häufig keine klare Meinung zu dem Thema haben (43%). Die Zahl der Unentschlossenen ist bei den Männern mit schlechten Erfahrungen deutlich geringer (21%).

Anwendungsbereitschaft und Bildung
Mit zunehmender Bildung steigt die Akzeptanz unter Männern eine wirksame reversible Verhütung für den Mann anzuwenden, sollte diese verfügbar sein. 19% der Personen mit Pflichtschulabschluss, 42% der Personen mit Fachschul- oder Lehrabschluss und 44% der Personen mit Matura oder Universitätsabschluss geben an, sofern die Möglichkeit bestünde, „sicher“ davon Gebrauch zu machen.

Anwendungsbereitschaft und Herkunft
Die Anwendungsbereitschaft ist bei Männern mit Migrationshintergrund (1. Generation) etwas geringer als bei Männern, die in Österreich geboren wurden (33% zu 39%). Allerdings lehnen Migranten der der 1. Generation lehnen allerdings eine Verhütung für den Mann deutlich öfter ab als Männer, die in Österreich geboren wurden (58% zu 18%). Demgegenüber sind in Österreich geborene Männer öfter unentschlossen (43% vs. 9%).

Die Pille für den Mann: Was Frauen darüber denken
Frage an die Frauen: „Angenommen Ihr Partner würde die Pille für den Mann nehmen. Wie würden Sie vorgehen?“

41% der Frauen würde sich auf die Verhütung durch den Partner verlassen. Die Mehrheit (59%) würde weiterhin selbst verhüten.

Vertrauen in die Verhütung des Partners und Alter
Interessant ist die Altersverteilung. Jüngere Frauen (16–29 Jahre) würden sich signifikant weniger oft auf ihren Partner verlassen (31%) und trotzdem selbst verhüten (69%). Mit dem Alter nimmt das Vertrauen in den Partner deutlich zu. 46% der 30–49-jährigen Frauen würden mit ihrer Verhütung aufhören.

Vertrauen in die Verhütung des Partners und Bildung
Mit zunehmender Bildung würden sich Frauen eher auf ihren Partner verlassen: 33% der Frauen mit Pflichtschulabschluss, 39% der Frauen mit Lehr- oder Fachschulabschluss und 47% der Frauen mit Matura- oder Universitätsabschluss.

Vertrauen in die Verhütung des Partners und Beziehungsqualität
Nicht überraschend ist in diesem Kontext der Faktor Beziehungsstatus. Frauen in stabilen Beziehungen würden sich eher auf ihren Partner verlassen (44%) als Frauen in instabilen Beziehungen (38%) oder Frauen ohne Beziehung (27%).

Vertrauen in die Verhütung des Partners und Wichtigkeit von Hormonfreiheit
Frauen, denen Hormonfreiheit wichtig ist, würden sich signifikant öfter auf die Verhütung durch ihren Partner verlassen (47%) als Frauen, denen Hormonfreiheit nicht so wichtig oder gar nicht wichtig ist (32%).

Interpretation
Frauen, denen Hormonfreiheit wichtig ist, befinden sich, wie gezeigt wurde, häufiger in einem Dilemma zwischen dem Wunsch nach einer wirksamen Verhütung bei gleichzeitigem Streben, möglichst nicht in den Körper einzugreifen. In diesem Konflikt sind sie eher bereit, die Kontrolle der Fruchtbarkeit an den Partner abzugeben. In der Forschungsarbeit von Parzer (2015) konnte zudem gezeigt werden, dass bildungsspezifische Vorstellungen von Geschlechterverhältnissen die Verhütung prägen. Vor allem gut gebildeten Frauen ist es im Sinne der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern wichtig, sich die Verantwortung um die Verhütung mit ihren Partnern zu teilen bzw. die Beteiligung des Partners explizit zu fordern. Frauen aus weniger bildungsprivilegierten Zusammenhängen hingegen stellen wenig bis keine Forderungen an ihre Partner, sich an der Verhütung zu beteiligen. Sie erfahren von den Partnern oftmals nur wenig Bereitschaft, sich mit Verhütung zu befassen und kümmern sich (daher) eigenständig darum. Verhütung wird als Aufgabe und Verantwortung der Frauen gesehen.