Schlussfolgerung

Der Trend zu weniger wirksamer Verhütung hält weiter an. Treibende Kraft ist eine Skepsis gegenüber hormoneller Verhütung, welche mehr als 50 Jahre nach der Entdeckung der Pille weit verbreitet ist. Dieses Phänomen kann mit dem Fehlen eigener Erfahrungen mit den Folgen der natürlichen Fruchtbarkeit erklärt werden. Sowie mit der damit verbundenen unrealistischen Vorstellung, wonach Frauen ohne Verhütung im Leben durchschnittlich nur 1–3 Schwangerschaften (23% der Befragten) oder 4–7 Schwangerschaften (40%) hätten. Nur 13% schätzen das Ausmaß der Fruchtbarkeit von durchschnittlich 12–15 Schwangerschaften in 35 Jahren Fruchtbarkeit im Leben einer Frau korrekt ein.5 Diese falsche Vorstellung über das Ausmaß der natürlichen Fruchtbarkeit erklärt unter anderem die geringe Motivation vieler Menschen, sich wirksam vor ungewollten Schwangerschaften zu schützen, obwohl heute eine noch nie dagewesen große Zahl an sehr wirksamen Verhütungsmethoden zur Verfügung steht.
Für die Prävention bedeutet dieses Verhütungsparadoxon einen Paradigmenwechsel. Es genügt nicht, faktische Informationen über die verschiedenen Methoden zu vermitteln, sondern es muss in erster Linie das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass diese Methoden während der vielen fruchtbaren Jahre konsequent angewendet werden müssen, sofern kein Kinderwunsch besteht.

Angesichts der zunehmenden Migration ist es von Bedeutung, auch die unterschiedlichen Bedürfnisse von Menschen einzubeziehen, die außerhalb von Österreich geboren wurden. Die deutlich schlechtere Verhütung von Personen mit Migrationshintergrund (1.Generation) ist konsistent und wird bestätigt durch die häufigeren Schwangerschaftsabbrüche.6 Gerade für diese Frauen sind die hohen Kosten für die wirksamen Verhütungsmethoden oftmals eine unüberwindbare Hürde und ein wesentlicher Grund für die schlechtere Verhütung.

Die Ergebnisse dokumentieren das anhaltende Desinteresse der österreichischen (Gesundheits-)Politik, die Prävention ungewollter Schwangerschaften wirksam – entsprechend dem selbstverständlichen Standard der meisten anderen Westeuropäischen Länder – zu fördern. Das erwartbare Ergebnis ist eine unnötig hohe Anzahl an ungewollten Schwangerschaften und folglich Schwangerschaftsabbrüchen. Ferner hat Österreich eine der niedrigsten Geburtenraten in Westeuropa. Die meisten Menschen wünschen sich zwar mehr Kinder, jedoch setzen sie dies nicht um bzw. revidieren ihren Kinderwunsch nach dem ersten Kind.7

5 Tietze C: Reproductive span and rate of reproduction among Hutterite women. Fertil Steril 8 (1957) 89–97
6 Studie „Schwangerschaftsabbruch: Fast die Hälfte sind Migrantinnen“, 2018 www.ots.at/presseaussendung/ OTS_20180731_OTS0029/schwangerschaftsabbruch-fast-die-haelfte-sind-migrantinnen
7 Umfrage: „Umfrage: ÖsterreicherInnen wünschen sich mehr Kinder“, 2016, www.ots.at/presseaussendung/ OTS_20160626_OTS0007/umfrage-oesterreicherinnen-wuenschen-sich-mehr-kinder

Folgende Maßnahmen werden deshalb seit Jahrzehnten von ExpertInnen empfohlen:

  • Sexualpädagogik nach den aktuellen WHO Standards. Dazu gehören auch die qualitätsgesicherte Aus- und Fortbildung von Lehrkräften sowie brauchbare Unterrichtsmaterialien.
  • ÖsterreichweiteInformationskampagnenzuSexualitätundVerhütung,zielgruppenorientiert, speziell auch für Erwachsene und MigrantInnen.
  • Kostengünstiger und einfacher Zugang zu wirksamen Verhütungsmethoden, insbesondere zu Langzeitmethoden, wie Hormonspirale, Kupferspirale, Hormonstäbchen oder Sterilisation von Mann und Frau.
  • Kostenlose Verhütungsberatung durch Ärztinnen und Ärzte.

Voraussetzung zur Umsetzung dieser Maßnahmen sind ein politischer Wille und die Bereitstellung von entsprechenden Ressourcen. Unabhängig von der Verbesserung der Prävention ungewollter Schwangerschaften sollte die Familienpolitik auch besser auf die realen Bedürfnisse von Menschen mit gewollten Kindern eingehen, damit diese in die Lage versetzt werden die gewünschte Zahl an Kindern umsetzen.